Inhalt express 12/2009

Gewerkschaften Inland

Hermann Kocyba: »Kommt gute Arbeit unter die Räder?«, Zum »Mehrwert der
Wertedebatte«  S. 1

Hermann Kocyba: »Mapping statt Mobbing«, oder: Methoden gegen Individualisierung und Psychologisierung  S. 2

Juliane Hammermeister/Thomas Sablowski: »Exzellente Entwertung«, zu den Auswirkungen des Bologna-Prozesses auf die Arbeits- und Bildungsbedingungen  S. 4

Gerhard Stapelfeldt: »Stundenpläne der Gegenaufklärung«, zur neoliberalen Zerstörung der Universität  S. 6

GEW Hessen: »Fünf vor Zwölf« an den Hochschulen – GEW Hessen unterstützt
Bildungsstreik  S. 6

»Mindestlohn für die Abfallwirtschaft«, ver.di schreibt einen Offenen Brief an die FDP
Hessen   S. 7

Ursula Link-Herr: »Bologna-Crash«, Wer muss den Offenbarungseid leisten?     S. 8

IG BAU: »Prekarisierung durch die Hintertür«, Schein-Selbständigkeit im Handwerk nimmt
zu  S. 9

Volker Mörbe/Lothar Galow-Bergemannn: »Öfter raus aus der Mühle«, Tarifrunde 2010: Für die Reduzierung der Gesamtarbeitszeit ohne Absenkung des Tabellenentgelts          S. 12

Vertrauensleute Uniklinik Stuttgart: »Öffentliches Gut oder Ware?«, Gesundheitspolitik der neuen Bundesregierung auf dem Prüfstand  S. 13

Betriebsspiegel

Böckler impuls: »Die Monotonie kehrt zurück in die Fabriken«   S. 4

Slave Cubela: »Lohnarbeit für Selbstbestimmung?«, Arbeitnehmer in der Persönlichen Behindertenasssistenz  S. 10

»Tarifverträge statt kollektives Betteln«, Diakoniebeschäftigte fordern Verweltlichung    S. 10

Internationales

»Mit dem kleinen Finger«, betriebliche Streikkomitees bilden serbienweite Koordination S. 14

Mark Brenner: »Rezession vorbei?«, kommt drauf an, wen man fragt     S. 16

 

Editorial

Museen der Klassenkampferziehung?

In der Frankfurter Kunsthalle Schirn wird seit dem 24. September 2009 erstmals im Westen die chinesische Skulpturengruppe »Hof für die Pachteinnahme« gezeigt, die 1965, also im unmittelbaren Vorfeld der chinesischen Kulturrevolution, von einem anonym auftretenden Kollektiv geschaffen wurde. Die in Frankfurt ausgestellte, 1974-1978 fertig gestellte Reisefassung des ursprünglich aus Trockenlehm gefertigten Figurenensembles besteht aus sieben aufeinander folgenden Szenen mit insgesamt 103 kopierten und zum Teil neu erschaffenen Objekten aus verkupfertem Fiberglas. Sie lagerte bis vor kurzem in den Magazinen der Kunstakademie Chongqing – auch ein Ausdruck jahrzehntelanger Verbannung der Auseinandersetzung mit Politik und Geschichte in China.

Ursprünglich wurde die Gruppe in Anren im ehemaligen Anwesen des Großgrundbesitzers Liu Wencai gezeigt. Die Monumentalvariante der Skulpturengruppe war »nötig« geworden, weil anders das Anliegen des Kulturministeriums in Peking, dass jeder Landkreis ein Museum oder eine Gedenkstätte einzurichten habe, wo an die Ausbeutung der Bevölkerung durch die herrschende Klasse vor der Befreiung erinnert würde, nicht verwirklicht werden konnte. Denn das Zielpublikum, die lokale Landbevölkerung, erwies sich als widerspenstig. Weit attraktiver und interessanter als das Thema Klassenkampf, 1958 zunächst dargestellt in kleinen Gipsfiguren in Bühnenkästen, fand sie nämlich den Reichtum des ehemaligen Großgrundbesitzers. Das darauf folgende Ausstellungskonzept, das mit lebensgroßen Puppen aus Reisstroh, mit Köpfen und Händen aus Wachs arbeitete, scheiterte weniger am Desinteresse der Bevölkerung als am feuchtheißen Klima. Auch eine 1964 ausgestellte Sammlung von Maschinen, Werkzeugen und Instrumenten der Ausbeutung, mit denen die Bauern übervorteilt und betrogen wurden, interessierte die ehemals Ausgebeuteten nicht wirklich. Erst die nun in Frankfurt gezeigte Skulpturengruppe scheint das Ziel der massenwirksamen Aufklärung zu erfüllen und tut dies – wer mag, soll sich selbst überzeugen – hier noch bis zum 3. Januar 2010.

Relative Hitzebeständigkeit, Distanz zum Gegenstand, sei sie nun räumlich oder zeitlich ausgedrückt, und zugleich eine gewisse affektive Attraktion sind zwar notwendige, aber offensichtlich noch keine hinreichenden Bedingungen gelingender Aufklärung. Denn: Kommt sie von oben, ist sie schnell unten durch. Kommt sie von unten, hat sie einen weiten, nicht immer direkten Weg bis oben. Genau darum geht es auch im Schwerpunkt dieser Ausgabe des express, der sich mit den Bildungsstreiks beschäftigt. Diese richten sich nicht gegen Bildung, sondern thematisieren – endlich – die Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Aufklärung, und zwar als Zusammenhang. Wenn das nicht ein viel versprechender Auftakt zum neuen Jahr ist.

Euch allen viel Zeit zum Lesen, Glück, Gesundheit und Revolutionen in vielfältiger Hinsicht,

Eure Sitz-Redaktion

 

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