express 1-2/2013

Inhalt

Gewerkschaften Inland

  • »Wir wollen auch raus!«, ein Gespräch mit Peter Bremme zum Streik der Sicherheitsbeschäftigten am Flughafen 1
  • Peter Hoffmann: »Fabrik Krankenhaus – über ein System verkehrter ökonomischer Anreize« 2
  • Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken: »Deutsches Tarifdumping beenden. Argumentations(nach)hilfen für die Tarifrunde 2013« 4

Betriebsspiegel

  • »Warum sollte es nicht gehen? Mit Oberst a.D. und Reservistenhilfe eine ‚schöne Zeit bei Amazon’« S. 4
  • Ralf Kronig: »Betriebsklimakatastrophe«, zur „Haltbarkeit“ der Beschäftigten bei SAP S. 6
  • »Wirtschaften ohne Chef?«, Einblicke in eine „selbstverwaltete“ Taxi-Genossenschaft S. 8
  • Anton Kobel: »Wilder Streik – das ist Revolution. Zum Streik der ArbeiterInnen 1973 bei Pierburg«, mehr als eine Buch-Empfehlung S. 12

Internationales

  • Fritz Hofmann: »Planvolle Zerstörung in Südeuropa. Was es im ‚Sixpack’ alles nicht mehr gibt« S. 6
  • Stefan Schoppengerd/Kirsten Huckenbeck: »Mehr Löcher im Binnenmarktkäse. EU perforiert Entsenderichtlinie, EGB demonstriert – mit zu wenigen« S. 8
  • »Toteninsel«, Offener Brief von Giusi Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa S. 10
  • Peter Haumer: »Beugemaßnahmen. Selbstverwaltete Fabrik Jugoremedija in Serbien soll in den Bankrott getrieben werden« S. 12
  • »Ohne Euch reicht’s für uns!«, Griechische Arbeiter übernehmen Baustofffabrik S. 14
  • Willi Hajek: »Trotz alledem: nicht locker lassen«, über Kathedralen, Baumhütten und Nester des Widerstands – diesseits und jenseits des Rheins S. 15
  • Jenny Brown: »Höllenpläne – genug von Just in Time und unfreiwilliger Teilzeit«, Einzelhandelsbeschäftigte in den USA ergreifen Initiative 17

Rezensionen

  • Peter Nowak: »Formen und Förmchen«, ein neuer Sammelband von Azzellini/Ness lotet Erfahrungen, Möglichkeiten und Grenzen der Arbeiterselbstverwaltung aus S. 11
  • Edgar Weick: »Lieber Umwege als Sackgassen«, über die Lebenserinnerungen von Andreas Buro“ S. 19

Leserbrief

  • Robert Schlosser zu Joachim Hirsch: »Bricht der Kapitalismus zusammen?« S. 19

 

Bildnachweise: Sämtliche Bilder dieser Ausgabe sind der Grafic Novel „Reisen zu den Roma“, denen wir diese Ausgabe widmen, entnommen. Der Band hält den Erfahrungs- und Erkenntnisprozess fest, den der mehrfach preisgekrönte Fotograf Alain Keler im Laufe seiner zahlreichen Begegnungen mit den Roma durchläuft – hier erneut in stilbildender Kooperation mit seinem Zeichnerkollegen Emmanuel Guibert und dem Gestalter Frédéric Lemercier. Ergänzt wird der aufwändig gestaltete Band durch einen Anhang mit ausführlichem Hintergrundmaterial zu den einzelnen Stationen der Reise und weiterführenden Literaturhinweisen.
Wir danken dem Verlag „Edition Moderne“ sehr herzlich für die freundliche Überlassung der Bilder sowie seine mutigen und schönen Bücher. Kauft, lest und reist selbst: „Reisen zu den Roma“, Edition Moderne, Zürich 2010, ISBN 978-3-03731-090-8

 

Editorial

Minority Report
oder: geneigte LeserInnen, willkommen bei wechselnden Minderheiten!

Als selbst Angehörige einer Minderheit widmen wir diese Nummer den Minderheiten – den über- und den unterschätzen: Peter Bremme berichtet von der kleinen Minderheit am Flughafen, den Sicherheitskräften, die dennoch den Flughafen lahm legten und der gefühlten Mehrheit der businessgedressten Economy-People den Tag erfreulich schwer machten. Peter Hoffmann und Ralf Kronig gehören in ihren Berufsgruppen jeweils zur absoluten Minderheit der Kapitalismuskritiker, die einen klaren Blick auf die Ausbeutungsverhältnisse im Krankenhaus und bei Software-Konzernen haben. Ein Kutscher aus einer „selbstverwalteten“ Taxi-Genossenschaften berichtet, wie sich in seinem Betrieb wiederum eine Minderheit zu Chefs aufgeschwungen und so das Minderheiten- zu einem Mainstreamprojekt gemacht hat. Peter Haumer dagegen zeigt, wie eine selbstverwaltete Fabrik – in Post-Jugoslawien inzwischen auch eine Minderheit – von der alten und trotz Systemwechsel neuen Elite mit fast allen Mitteln angegriffen wird. Dass aber die Krise aus mancher Minder- schnell eine Mehrheit macht und umgekehrt, belegen Dario Azzelini und Immanuel Ness, wie Peter Nowak in seiner Rezension über „Die endlich entdeckte politische Form“, eine Breitbandanalyse weltweiter Selbstverwaltungsprojekte von der französische Revolution bis heute, beschreibt. Ohne das Buch gelesen zu haben, haben Beschäftigte eines Baustoffunternehmens in Thessaloniki ihre Form entdeckt – Beton ist, was man daraus macht! Oder anders: Nichts ist ein für alle Mal. Das ließe sich für alle Versuche, dem Kapital zu dienen, sagen. Das weiß selbst oft morgen erst, was es gestern gebraucht hätte, und doch erklärt es die, die es heute gerade braucht, morgen schon für überflüssig – keine gute Orientierungshilfe. Dazu mehr in der Argumentationsnachhilfe der Gewerkschaftslinken zur Tarifrunde 2013 (S. 4f.).

Ließe sich diese Flüssigkeit der Verhältnisse nur auch für die inneren und äußeren Grenzen Europas feststellen. Die jedoch sind betonhart und stacheldrahtbewehrt – für die, die aktuell von draußen kommen und auf der „Toteninsel“ Lampedusa landen (s. Seite 10), und für die, die schon seit dem frühen Mittelalter hier in Europa leben, also von innen kommen und doch ausgeschlossen von fast allem sind. Das verdient das Licht der Aufklärung, das bekanntlich auch aus dem Osten kam. Ihnen, den rund 7-9 Mio. Roma und Sinti der EU, sind die Bilder dieser Ausgabe gewidmet: „Reisen zu den Roma“ – eine ebenso wunderbare wie bedrückende Koproduktion mit Feder und Linse von Alain Keler, Emmanuel Guibert und Frédéric Lemercier – müsste eigentlich keine Reise in den Osten sein, denn sie sind unter uns, mitten in den Zentren, in Italien, in Frankreich, in Dortmund oder auch im Rhein-Main-Gebiet – wenn man sie denn lässt und nicht immer wieder in die Ghettos am Rande Europas und im Herzen seiner Ökonomie abschiebt. Das stellen am Ende ihrer Reisen auch die Autoren des Bandes fest, die ihre Rolle als zuschauende Dokumentatoren aufgeben und mit den „Unberührbaren“ gemeinsame Sache(n) machen. Kooperation mit Wissen und (Selbst-)Bewusstsein eben. Eine inclusive Einladung, der wir uns nur anschließen können.

 

express 1-2/2013