Inhalt express 1/2010

Gewerkschaften Inland

Joachim Hirsch: »Krise?! War da was?«, Überlegungen zu einem andauernden Problem   S. 1

Werner Sauerborn: »Das politische Streikrecht«, wie wir es verloren haben und warum wir es gerade jetzt brauchen                S. 4

Wolfgang Günther: »Was geht uns das an?«, zur Tarifrunde Öffentlicher Dienst             S. 6

Sebastian Wertmüller: »Einstieg in den Ausstieg?«, eine Polemik zum Satzungsentwurf des DGB          S. 7

Red.: »Vom Spielzeug zum Werkzeug«, ein Kommentar zur Demonstration für freie Bildung und zu den Photos in dieser Ausgabe                S. 8

Rainer Roth: »Reiner rot?«, Anmerkungen zur Ablehnung der Forderung nach 500 Euro Eckregelsatz durch Harald Rein, Teil I           S. 9

Edgar Weick und Hans-Joachim Blank: »Für Heinz Brakemeier«, Trauerrede und Nachruf   S. 15

Betriebsspiegel

Anton Kobel: »Danke, Schlecker!« … für dieses Lehrstück in kapitalistischer Widersprüchlichkeit           S. 2

Internationales

TIE-BW: »Spendenaufruf«, Hilfe für TextilarbeiterInnen in Dhaka/Bangladesh notwendig         S. 9

Anna Leder & Peter Haumer: »Body Count«, Selbstverbrennungsversuch im serbischen Novi Pazar    S. 11

Anna Leder & Peter Haumer: »Wild at heart«, Serbiens wilder Weg in den Westen       S. 11

Nicholas Bell: »Ein etwas anderes Ministerium«, Schwarzarbeiter als Motor der Sans Papier-Bewegung in Frankreich, Interview mit Orhan Dilber         S. 13

Einladung zur Tagung

AFP/express-Redaktion: »Krise im Handel – Handeln in der Krise«, Erfahrungen, neue Ansätze und Wege       S. 4

Rezension

Peter Nowak: »Kein Mensch ist asozial«, »Arbeitsscheu«, Kontinuitäten einer Ausgrenzungs- und Verfolgungsgeschichte, zu Allex/Kalkan (Hg.): »ausgesteuert – ausgegrenzt … angeblich asozial«         S. 16

Zu den Bildern in dieser Ausgabe: Wir danken der FAU für die Überlassung der Photos. Näheres dazu Artikel S. 8 unten

 

Editorial

Nach den unangenehm triumphierenden Sprüchen und Bildern der Wahlsieger von der FDP bekommen wir nun das wahre und alt bekannte Gesicht des Liberalismus – bei gleichzeitig sinkenden Umfragewerten – zu Gesicht. Gegenüber Hoteliers zeigt man sich großzügig und verspricht Steuerentlastung, die Gesundheitspolitik wird mittelstandsfreundlich umgestaltet von einem Gesundheitsminister, der nur seine Pauschale im Kopf hat, die – das kann man so pauschal sagen – zu einer qualitativ neuen Entsolidarisierung im Gesundheitswesen führen wird, die sogar den Liberalismus der Rot-Grünen in den Schatten stellen wird. Immer weniger liberal zeigen sich die Staatsorgane hierzulande, wenn es um das demokratische Recht der Demonstration geht, wie die Bilder in dieser Ausgabe und der Kommentar dazu zeigen. Zugleich zeigen uns in diesem Falle aber die demonstrierenden Studenten auch, dass die Perspektive auf emanzipatorische Aneignung der Gesellschaft nicht ganz verschütt gegangen ist. Das können wir auch von den 3000 Sans Papiers in Paris lernen, die sich per Hausbesetzung ihr eigenes »Ministerium« geschaffen haben und für gleiche Rechte der »Illegalen« kämpfen; Tausende weitere sind aus der Unsichtbarkeit heraus und in den Streik getreten – gegen das System der Zeitarbeit, gegen Befristungen und prekäre Jobs. Das zeigt sich auch in den Besetzungen privatisierter Fabriken in Serbien, in denen die freigesetzten oder von Entlassung bedrohten ArbeiterInnen die Produktion selbst in die Hand nehmen; einige schrecken dabei nicht davor zurück, ihren eigenen Körper als Waffe zu benutzen.

Und es zeigt sich in der laufenden Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes, in der die KollegInnen begonnen haben nachzurechnen, wer die Öffentlichen Güter eigentlich finanziert – und wem sie gehören. All das ist Thema dieses express. Einmal mehr steht er damit jedoch auch im Zeichen der Dauer-Krise und ihrer Herausforderungen, denen Joachim Hirsch und Werner Sauerborn in ihren Beiträgen nachgehen.

Einen Beitrag anderer Art wollen wir mit unserer Tagung »Krise im Handel – Handeln in der Krise« vom 9.–11. April 2010 leisten, zu der wir hiermit herzlich einladen. (Näheres s. Seite 4)

Das Trauerspiel von Afghanistan

Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt, Ein Reiter vor Dschellalabad hält,

»Wer da!« – »Ein britischer Reitersmann, Bringe Botschaft aus Afghanistan.«

Afghanistan! er sprach es so matt; Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,

Sir Robert Sale, der Commandant, Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen in’s steinerne Wachthaus ihn, Sie setzen ihn nieder an den Kamin,

Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht, Er athmet hoch auf und dankt und spricht:

»Wir waren dreizehntausend Mann, Von Cabul unser Zug begann,

Soldaten, Führer, Weib und Kind, Erstarrt, erschlagen, verrathen sind.

»Zersprengt ist unser ganzes Heer, Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,

Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt, Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.«

Sir Robert stieg auf den Festungswall, Offiziere, Soldaten folgten ihm all’,

Sir Robert sprach: »Der Schnee fällt dicht, Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

»Sie irren wie Blinde und sind uns so nah, So laßt sie’s hören, daß wir da,

Stimmt an ein Lied von Heimath und Haus, Trompeter, blas’t in die Nacht hinaus!«

Da huben sie an und sie wurden’s nicht müd’, Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,

Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang, Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag, Laut, wie nur die Liebe rufen mag,

Sie bliesen – es kam die zweite Nacht, Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht.

Die hören sollen, sie hören nicht mehr, Vernichtet ist das ganze Heer,

Mit dreizehntausend der Zug begann, Einer kam heim aus Afghanistan.

Theodor Fontane, 1858

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