Inhalt express 2/2009

Gewerkschaften Inland

Kirsten Huckenbeck: »Was bleibt uns anderes übrig?«, Organizing als Perspektive für Gewerkschaften in der Krise?                S. 1

»Migration und Arbeit«, ver.di bietet Anlaufstellen für MigrantInnen ohne gesicherten Aufenthalt in Hamburg und Berlin    S. 4

Slave Cubela: »Krisenfest oder Krisen-Fest?«, zu einem schwierigen Verhältnis aus aktuellem Anlass S. 8

Gerhard Stapelfeldt: »Bildung ist keine Ware?«, kritische Anmerkungen zu einer politischen Parole    S. 12

»Aber jetzt«, ver.di-Mitglieder starten Initiative für Arbeitszeitverkürzung       S. 12

»Seid gewappnet«, Offener Brief an Gewerkschaftsvorstände               S. 13

Betriebsspiegel

Lars Dieckmann: »Organizing an der Charité«, IG BAU geht mit Reinigungskräften neue Wege im Kampf gegen Befristungen und für Arbeitsschutz       S. 5

Jan Pehrke: »Die Namenlosen«, über Leiharbeit bei Bayer        S. 7

»Missbrauchsmissbrauch«, Daimler setzt Werkverträgler als Leiharbeiter ein   S. 10

Internationales

Dieter Wegner: »Gleiches Ziel, große Unterschiede«, über die Fabrikbesetzungen bei Innse und Officine                        S. 7

Rezension

Peter Nowak: »Internationalismus im Hafenbecken«, zum Streiklesebuch von Udo Achten und Bernt Kamin-Seggewies »Kraftproben«          S. 15

Bildnachweise: Ernst Haeckel: „Kunstformen der Natur“, München 1998, ISBN 3-7913-1978-7

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

Keine Frage: Die Gewerkschaften stecken in der Krise – doch in welcher? Wenn derzeit von Krise die Rede ist, dann ist meist eine andere gemeint, und der hat sich scheinbar alles und jede/r unterzuordnen. Entsprechend groß ist das Getöse. „In Zeiten wie diesen“, so titelte die CDU auf ihren Wahlkampfplakaten, „kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz“ – was sie nicht daran hinderte, wenige Tage nach ihrem ‚Wahlsieg’ in Hessen den weiteren Abbau von Stellen im Öffentlichen Dienst anzukündigen. Doch der Bruch zwischen populistischem Röhren im Walde und profanem Business as usual ist kein exklusives Markenzeichen der CDU. Mag die Lautstärke der Posaunen des Untergangs das gefühlte Bedrohungspotential, das die Krise bei den ‚Managern de la Misère’ auslöst, signalisieren, ein Indikator für qualitativ neue politische Instrumente ist sie noch nicht. Im Namen der gleichen Krise, die Herrn Koch plakativ an die Seite der Lohnabhängigen, gar in den Arbeitskampf zwingt, wird Hand an die schönsten Plätze, die seit Erfindung der SPD bekanntlich Arbeitsplätze sind, gelegt.

Insofern ist wie immer gut beraten, wer sich von den wechselnden Konjunkturen des diskursiv jeweils gebotenen Unterordnungszwangs nicht beeindrucken lässt und zunächst danach fragt, um welche und um wessen Krise es geht und wem es im Namen welcher Krise um was geht. Für die Gewerkschaften in der Krise gilt das doppelt, denn sie stecken ob mit oder ohne Krise in der Krise. Ob und wie sie daraus kommen und was sie daraus lernen, dazu haben wir in dieser Ausgabe gleich mehrere Artikel. Ebenso dazu, ob die Krise zu Lernprozessen ‚führt’ oder eher die Lernprozesse – der ArbeiterInnen nämlich – das Kapital in die Krise treiben.

Apropos „Was lernen wir aus der Krise?“

Stichwort „Ökologie“ als Ausweg: Nicht nur die Autos, auch die Menschen sollen, wenn sie sich schon nicht mehr verkaufen lassen, wenigstens einem umfassenden Recycling zugeführt und in den großen Kreislauf eingespeist werden: Bildungsministerin Schavan (CDU) überlegt, „Fachleute“ aus der Industrie in die Schulen zu schicken, um den von ihr mitproduzierten Lehrermangel zu kompensieren. Ein wunderbarer Vorschlag, der mehrere Krisenfliegen mit einer Patsche erschlagen könnte: SchülerInnen lernen von freigesetzten Autositze-, Computerlüftungs- und Landmaschinenbauern aus namhaften, aber leider derzeit ‚überbesetzten’ Unternehmen, wie man erfolgreich scheitert, d.h. mit Hilfe und aufgrund staatlicher Stützungskredite gar nichts begreifen muss?

Bildung ist zwar längst schon eine Ware – war aber mal das genaue Gegenteil dieser Zurichtung auf den idealen Gesamtreproduktionsprozess des Kapitals. Was aus Aufklärung und Selbstbestimmung wurde – dazu Gerhard Stapelfeldt.

Und wenn wir schon bei den Idealen sind: Das Kunstschöne in der Natur zu (er)finden, um es zur gefälligen Nachahmung unter den menschlichen „Pilztierchen“, „Wunderstrahlingen“ und „Staatsquallen“ zu empfehlen, war Lebensziel und Inhalt des Darwin-Adepten Ernst Haeckels, dessen Buch damals in keinem bürgerlichen und vor allem: sozialdemokratischen Haushalt fehlte und der dieses Jahr 175 geworden wäre – wenn, ja wenn die Natur seinen Idealen entsprochen hätte und das Bürgertum so ewig leben würde, wie die reinen Formen und Ideale, die es sich von seiner Gesellschaft macht, es nahe legen: Selbstorganisierung im und durch das konkurrente Chaos, Versöhnung von Materialismus und Idealismus, Entstehung der Welt aus einem einzigen Prinzip… Alles in Ordnung?

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